Ein vor Freude jauchzender Aufschrei geht durch die Nation. „Der ”Neue Ikea” liegt im Briefkasten!“
Und ich muss gestehen, mir ging’s ähnlich, als mein Mann mit der Post ins Haus kam und mir den brandneuen Ikea Katalog zum Frühstück präsentierte. Genüsslich goss ich mir einen Kaffe ein, voller Vorfreude auf all die schönen neuen Dinge, die mir da kredenzt würden. Und auch schon auf den ersten Seiten wurde ich nicht enttäuscht. Die neue Naturserie „Sinnerling“ ist wirklich sehr schön gestaltet und spricht, in einer Welt die immer technischer und digitaler wird, unser Bedürfnis nach Naturmaterialien und Wertigkeit an. Sehr schlau von den Marketingstrategen.
Aber seien wir doch mal ehrlich: einen Couchtisch habe ich schon und eine Hängelampe auch. Sehr schöne Glasflaschen gibt es in diesem Programm. Aber was soll ich damit? Nur weil sie so hübsch sind? Ich habe schon genug hübsche Dinge. Und so geht das Seite um Seite. Hab ich schon, brauch ich nicht, will ich nicht. Um so länger ich mir diesen Katalog anschaue, desto satter werde ich. Ich habe mich quasi satt gesehen.
Gut… aus der fachfraulichen Sicht einer Dekorateurin ist es, wie immer, ein sehr gelungenes Stück Marketing. Besonders die Modellaufnahmen sind, wie jedes Jahr, sehr schön lebendig und durch ihre multi-kulti Akteure angesagt wie nie. Hochachtung und Hut ab.
An diesem Punkt war der ”Neue Ikea” für mich eigentlich schon wieder abgearbeitet. Bis ich heute morgen einen Artikel einer Blog-Kollegin gelesen habe, die sich ebenfalls mit diesem Thema auseinander gesetzt hat. Auch sie hat sich alles angeschaut und ist, wie so viele, ins schwärmen gekommen. Schöne Schale hier, tolles Besteck da und so weiter und so fort… Das war auch alles noch im Rahmen. Lediglich eine Interieurbegeisterte, die ihre Leser über die neusten Trends informiert. Die Kommentare auf besagten Beitrag stießen dann in’s selbe Horn: „Oh, ich glaube bei der neuen Glasserie kann ich nicht widerstehen… Mein Mann bringt mich um, wenn ich dieses Jahr wieder das Haus neu einrichte“ Ich muss hier jetzt nicht alles zitieren. Auch das noch alles ohne Bedenken. Der ganz normale Konsum-Wahn. So sind se halt.
Als nächstes habe ich dann einen, meiner Meinung nach, herausragenden Artikel zu Thema ”Flüchtlingshilfe” und ”Blogger für Flüchtlinge” gelesen. Irgendwie haben sich dann einige Synapsen in meinen Hirn verknotet und mein nächster Gedanke war: So lange die Leute noch Geld für die xte Obstschale von Ikea haben, solange haben wir auch noch mehr als genug Geld für Menschen, die sehr vieles brauchen, aber ganz sicher keine Obstschale! Seien wir doch mal ehrlich, sobald diese langersehnten, 300 bunt bedruckten Seiten reinster Ikea-Werbung in Deutschlands Briefkästen liegen, rennt die halbe Bevölkerung los und deckt sich mit den neusten Deko-Trends ein. Auf der anderen Seite habe ich aber immer noch die Stimme einiger Mitbürger im Ohr: „Wer soll das nur alles bezahlen mit den ganzen Flüchtlingen“.
Stellen wir uns jetzt mal vor, all diese Leute würden dieses Jahr auf ihren Ikea-Einkauf verzichten und das Geld stattdessen spenden. Da wäre auch nicht nur den Flüchtlingen mit geholfen. Vermeintlicher Einkäufer hätte auch nicht mehr das Problem, wo er denn die Obstschale vom Vorjahr lässt. Das frage ich mich sowieso immer wieder, wo die all die alten Sachen lassen, wenn sie sich was Neues kaufen. Irgendwann ist doch jeder Keller mal voll.
Egal, intelligente Lagerhaltung ist hier nicht das Thema. Versteht mich bitte nicht falsch. Ich finde den Möbelschweden auch ganz toll. Und die machen auch sicher Einiges richtig. Und nicht nur irgendwie, sondern ziemlich direkt lebe ich von dieser Marketingindustrie. Es geht mir auch nicht um einen Einkauf bei Ikea im Besonderen. Es geht mir viel mehr um den Gegensatz der Konsumgesellschaft, in der wir leben, zu der Aussage ”Wir können uns Flüchtlingshilfe nicht leisten“.
Ich war neulich auf einem runden Geburtstag. Der Jubilar hat im Vorfeld ausdrücklich auf Geschenke verzichtet, da er bereits alles habe und sehr glücklich sei. So weit, so schön. Alle Gäste sind seinem Aufruf gefolgt und kamen mit ausschließlich guter Laune. Es war ein wirklich sehr schöner Tag. Während der Feier ergriff einer der Gäste das Wort und sagte sinngemäß folgendes: „Unser Gastgeber habe, wie anscheinend allen bekannt sei, auf Geschenke verzichtet, da er nun alles habe, was er sich wünsche. Aber in dieser glücklichen Lage wären ja leider nicht alle Menschen. Er würde nun ein Sparschein aufstellen und jeder könne, wenn er möchte, eine Summe, die er sonst als Geschenk gedacht hätte, für die Flüchtlingshilfe spenden. Ich fand diese Aktion so genial wie simpel (die besten Ideen sind immer ganz simpel) und habe mich fast ein bisschen geschämt, dass ich nicht selber darauf gekommen bin. Aber es hat mich zum Nachdenken angeregt.
Ich will an diesem Punkt einfach mal Anfangen und ein Zeichen setzen. Ich werde dieses Jahr meinen imaginären Ikea-Einkauf überschlagen und das Geld, das ich ausgeben würde, spenden. So möchte ich meinen Teil dazu beitragen, dass man mit Stolz sagen kann: “Das haben wir gut gemacht. Da konnten wir helfen.“ Alle zusammen und jeder ein kleines bisschen. Das kann schon viel bewegen. Wenn ich die ganzen Berichte über all die Helfer und Ehrenamtlichen höre und lese, würde ich auch so gerne etwas tun, alles hinwerfen und helfen. Aber damit ist schlussendlich ja doch keinem geholfen. Doch wenn ich mich hinsetzte und dadrüber nachdenke, dann kann ich so einige Dinge tun, die ich gut kann und wenn man die ein wenig wandelt, dann kann man da viel Gutes draus machen. Da fällt mir eine ganze Menge zu ein…
Vielleicht fällt dir ja auch etwas ein, wie du helfen kannst und was dir entspricht. Denk mal drüber nach.
Ganz wunderbar – und sehr sinnvoll-empathisch, danke dafür. Wir richten unser Haus seit Jahren nur noch „aus Bordmitteln“ ein, wie mein Mann zu sagen pflegt, weil uns der Möbel- und Accsessoire-Wahn auf die Nerven geht, so schön die Sachen sein mögen. Es gibt eine gewisse Rotation vom Dachboden über das Wohnzimmer in den Keller zurück ins Wohnzimmer, und die Dinge wirken immer wieder neu, kriegen mal einen Anstrich, mal einen neuen Bezug, die Zusammenstellung ist neu, nichts ist neu gekauft und alle freuen sich. Und danke für den netten Verweis!
Und das schönste an diesen „Bordmitteln“ ist, das sie alle eine kleine Geschichte erzählen können.
LG, Katrin
Ja, „Bordmittel“ haben wir auch genug zur Verfügung. 🙂 Und dann gibts da auch noch ne ganze Menge an Europaletten, die zu Möbeln umgestaltet werden können… 😉
Oh ja! ein prima Projekt für den nächsten Sommer.