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Polsterarbeiten in der Guten Stube

In diesem Jahr habe ich mich mit vielen Polsterarbeiten beschäftigt. Unter anderem ein antiker Stuhl meiner Mutter, die mich gebeten hat ihn für mich aufzuarbeiten. Im großen und Ganzen und im Anbetracht seines Alters, war er sehr gut in Schuss. Bis auf den durchgeschlissenen Bezug und die Tatsache, das die Sitzfläche bedenklich und geräuschvoll nachgabt, wenn man sich darauf setzten wollte. Da war ich richtig gespannt wie das Polsterkissen von innen aussieht und ob es mir gelingt es zu reparieren. Also in die Hände gespuckt und los…

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Bei so einem antiken Sitzpolster sollte man ganz behutsam eine Schicht nach der anderen ablösen. Von unten konnte man auch noch erahnen, wie schön der alte Stoff mal ausgesehen hat.

Nachdem ich die unterste Lage Gewebe entfernt hatte konnte man sehr schön sehen das die Sitzfläche nur aus einem simplen Stück Sperrholz bestand, das im laufe der Jahre einfach mal nachgegeben hat.

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Bei der Gelegenheit kann man sich auch ein bisschen abschauen wie der alte Stoff in Falten gelegt war. Das mit dem Falten legen finde ich immer am schwierigsten. Da kann ein bisschen spicken nicht schaden.

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Nachdem ich nun auch den Sitzbezug gelöst und weitere 10000 Tackernadeln aus dem Rahmen gezogen habe, lag das schlichte Schaumstoffkissen vor mir. Auch hier hatte ich mir den Zustand schlimmer vorgestellt. Das war noch top in Ordnung. Das kann man gut nochmal her nehmen. Man muss ja nicht immer gleich alles wegschmeißen. Und oft sind diese alten Materialien viel langlebiger als vergleichbares, was man heute so bekommt.

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Also, das Schaumstoffkissen genauso behutsam abgelöst, wie die Bezüge schon zuvor. Jetzt konnte man auch sehr gut das ganze Ausmaß der Beschädigung sehen. Aber zum Glück stellte es keine große Herausforderung da. Das schwierigste war, einen meiner Kollegen zu bitten, nach der Schablone der alten Platte, eine neue zu Sägen. Ich bin nicht so gut im Sägen und hab auch ein bisschen Bammel um meine Finger. Leute die mich kennen wissen wovon ich rede. Man muss zu seinen Schwächen stehen.

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Aber wie ihr seht habe ich auch diese Schwierigkeit mit ganz viel Bravur bestanden. Nun aber wieder zurück zum Handwerk.
Ab hier ging eigentlich alles wieder rückwärts. Die neue Platte lies sich sehr schön an den gebogenen Holzrahmen tackern. Es ist schon erstaunlich wei viel so eine Tackernadel hält.

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Meine Mama hat wirklich Geschmack bewiesen bei der Wahl des neuen Stoffes. Und Mut, wenn am bedenkt wie oft sie besuch von meinem beiden kleinen Neffen hat…

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Wie immer, wenn ich zu dem Teil kommen, an dem ich den Stoff auf den Rahmen spanne, muss ich an meine Ausbilderin denken. Wie sie mir beigebracht hat, das man immer von der Mitte raus zu den Seiten hin spannt und die Ecken erst einmal frei lässt. Da hab ich dann wohl doch was gelernt in den drei Jahren.

Sie hat mir auch gezeigt wie man die Ecken schön einschlägt, damit sie nicht so wurstig ausschauen. Das ist ne echte Friemel-Arbeit. Und man muss auch ganz schön aufpassen das man sich nicht selber mit festtackert.

Und so erstrahlt er jetzt im neuem Glanz, das gute alte Stück. Ich muss schon sagen… der Stoff ist wirklich sehr schön und passt ganz hervorragend zu dem eleganten Kirschholz des Stuhls. Wie schade, das ich euch hier den noch viel schönere Sekretär nicht zeigen kann, zu dem der Stuhl gehört.
Wenn ich dich im Winter besuchen kommen, liebe Mama, müssen wir da eine kleine Fotostrecke von machen.

 

 

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Altes Handwerk in der Guten Stube

Die Mutter einer guten Freundin fragte mich, ob ich für sie einen alten Stuhl aufmöbeln könnte. Da war ich natürlich gleich Feuer und Flamme und nahm das gute Stück erstmal gründlich unter die Lupe.
Das Rückengeflecht war zum Glück noch sehr gut erhalten. Aber die Sitzfläche wurde gänzlich entfernt und durch eine gammelige Platte ersetzt, die stümperhaft unter dem Rahmen festgenagelt war. Für mich eine sehr fragwürdige Lösung, da man ja dann mit seinem Hintern in einer Art Mulde hockt. Stell ich mir unangenehm vor… Zu allem Überfluss hat man das gute Stück in seiner Vergangenheit dann auch noch mit irgendeiner matt-braunen Tunke übergejaucht. Da kann man nur mit dem Kopf schütteln und sein Bestes geben. Also befreite ich meinen neuen Schützling erstmal von dieser Platte und der braunen Farbe. Da hieß es dann, wie immer, schleifen, schleifen, schleifen… Während ich also so vor mich hinschliff, überlegte ich, wie ich denn jetzt das Problem mit der Sitzfläche löse. Aber wenn man mal ganz ehrlich ist, da kann man noch so viel überlegen, alles außer ein neues Geflecht wäre nicht akzeptabel. Da ich ja gewisse Ansprüche an meine Arbeit habe, musste ich also flechten lernen. Gesagt, oder besser gedacht, getan. Schon nach kurzer Internetrecherche fand ich sowohl eine passable Anleitung, wie auch einen Materiallieferanten und einen Mann der mich schwer motivierte, diese Herausforderung anzunehmen. Es sei schließlich noch kein Meister vom Himmel gefallen. Der besagte Mann war übrigens ein freundlicher Mitarbeiter des Geflechtlieferanten. Kein Wunder, das der freundlich war. Als das Geflecht dann endlich eintraf, hatte ich bereits die ersten zwei Schleifgänge beendet und einige Ecken, die all zu sehr ausgefressen waren (ja, ja, der Zahn der Zeit) beigespachtelt.

Einige Tage zuvor meinte eine Bekannte, dass es für meine treuen Leser doch vielleicht spannend wäre, mehr über meine Restaurationsarbeiten zu lesen und dass sich so ein Lernprozess doch anbieten würde. Also fing ich an, die ganze Geschichte von diesem Punkt an auch fotografisch festzuhalten.
Als ich mit dem ersten Schritt (erste Lage vertikal) anfing, dachte ich noch etwas übermütig “Warum wird in jeder Beschreibung vor dem immensen Zeitaufwand gewarnt? Ich muss ein Naturtalent sein…“. Das dachte ich nach dem zweiten Schritt (erste Lage horizontal) und dem dritten Schritt (zweite Lage vertikal) auch noch. Nur leider ein etwas Rückenschmerz geplagtes Naturtalent. Da muss man sich ganz schön verbiegen.

Aber im vierten Schritt (zweite Lage horizontal) wurde ich dann eines Besseren belehrt. An diesem Punkt wird das Rohr das erste Mal wirklich eingeflochten und das ist zugegeben doch etwas zeitintensiver. Aber mit Geduld und Spucke meisterte ich auch diese Hürde. Richtig spannend wurde es dann aber in Schritt fünf (erste Lage diagonal) und Schritt sechs (zweite Lage diagonal). Hier ist die Gefahr, dass so ein Rohr mal reist, am größten. Aber da ich recht besonnen ans Werk ging, hat alles gut gehalten und besser geklappt als gedacht.

In Schritt sieben werden dann nur noch alle losen Enden miteinander verdröselt und das Geflecht ist eigentlich fertig.  Eigentlich… Aber das Schlimmste kommt ja noch: Die erste Sitzprobe, ob auch alles hält. Ich hatte schon ein bisschen Herzklopfen, das gebe ich zu. Nach einer kurzen Verschnaufpause inklusive Jubelschrei, habe ich mich dann daran gemacht, den Stuhl wieder in seine Ursprungsfarbe zurück zu versetzten und bei der Gelegenheit das neue Rohrgeflecht etwas abzudunkeln.

Als nun alles fachgerecht gebeizt war, Stuhl, Rohrgeflecht, mein Unterarm… fehlte nur noch ein bisschen Glanz auf der Oberfläche und fertig ist das Gute Stück.

Im Nachhinein betrachtet, bin ich sehr froh, diesen, wenn auch sehr langen Weg, beschritten zu haben. Zum einen habe ich wieder etwas Neues dazu gelernt und zum andern finde ich es sehr schön, sich mit altem Handwerk und Traditionen zu beschäftigen. Das Flechten hat mir auch viel Spaß gemacht und da mein Vater mir noch vier Stühle mit Rohrgeflecht anvertraut hat, bei denen zwei Sitzflächen auch schon kaputt sind, kann ich ja jetzt so richtig durchstarten. Der Winter ist ja noch nicht rum.